Teeni-Wochende 2015 auf Burg Hoheneck
Der letzte Schultag war nun da. Am Vormittag gab es die heiß ersehnten Jahresabschlusszeugnisse und die Ferien konnten endlich starten.
All unsere teilnehmenden Familien machten sich auf den Weg, und sie hatten alle das gleiche Ziel: die mittelalterliche Burg Hoheneck im mittelfränkischen Landkreis Neustadt / Aisch – Bad Windsheim.
Wir waren verabredet zum 2. Teenager-Wochenende „So verstehe ich besser – cooler Trip übers Wochenende“ vom 31. Juli bis Sonntag, 2. August 2015.
Die „Wiederholungstäter“ unter uns freuten sich schon sehr manch bekanntes Gesicht wieder zu sehen. Wir waren aber auch gespannt, wer wohl Neues dabei sein wird.
Spätestens zum gemeinsamen Abendessen und der anschließenden Kennenlernrunde bzw. Wiedersehensrunde waren wir dann alle beisammen und freuten uns auf ein tolles gemeinsames Wochenende und einem super klasse Ferienauftakt.
Ich freute mich sehr, dass das Angebot des Teenie-Wochenendes doch so zahlreich erneut angenommen wurde, wir bekannte Familien wieder sehen, aber auch neue Gesichter kennenlernen durften.
Bei einer Teilnehmerzahl von 60 Personen hätte die Vorstellungsrunde schon etwas länger gedauert. Deshalb hatten wir uns dazu entschieden, dass die 20 Teenager sich und ihre mit-gebrachten Familienmitglieder vorstellen sollten.
Das hatte bei dem einen oder anderen Teenager schon für die erste Nervosität gesorgt. Denn bei manchen – nicht bei allen Teenies – klärt bekanntlich doch meistens ein Elternteil die Dinge und der Teenie selbst kann sich erstmal beruhigt zurücklehnen.
Es hatte alles ohne große Schwierigkeiten geklappt und die von der Evangelischen Schwerhörigen Seelsorge Nürnberg ausgeliehene, verlegte mobile Ringschleife, tat ihr übriges im guten Verstehen und gab Sicherheit.
An dieser Stelle ein großer Dank fürs Ausleihen.
Nachdem es das heiße Wetter und die Helligkeit des Sommers zuließen, begleiteten unsere jungen selbst betroffenen Referenten: Damian, Vroni, Diana und Verena, sämtliche Kinder und Teenager ins Freie zu weiteren warm-up-Spielen auf die Wiese.
Im Innenhof der Burg saßen wir Eltern beisammen und hatten keine große Schwierigkeit gemeinsame Gesprächsthemen zu finden. Es war ein sehr gemütlicher Abend und wir hatten uns alle viel besser kennen lernen dürfen.
Am nächsten Morgen nach dem gemeinsamen Frühstück trafen wir uns alle erneut wieder im großen Rittersaal. Unsere Dozentin für Samstag, Frau Andrea Goldschmitz von der Praxis Roland Hanik aus München, war ebenfalls inzwischen eingetroffen.
Unsere „jüngsten“ an diesem Wochenende, die 12 Begleitgeschwister, starteten mit Verena und Diana in die Kinderbetreuung.
Frau Goldschmitz nahm sich gleich die Teenager „vor“. Folgende Themen standen auf der Themenliste:
• Was ist Hörtaktik?
• Was ist Kommunikationstaktik?
• Vorbilder, Berufswünsche, Schlagfertigkeit, Einblick in die Absehtheorie
Wir Eltern begaben uns mit Damian und Vroni in den Nachbarraum. Dort erfuhren wir was Hörtaktik ist und wie ich mein Kind dabei unterstützen kann.
Ehe wir in die Thematik einstiegen, stellten wir unsere Teenager, ihre Geschichte und uns selbst vor. Im Anschluss erfuhren wir die persönlichen schulischen Wege und damit verbundene Erfahrungen unserer beiden Referenten.
Dann ging es los! Hörtaktik umfasst einen sehr großen Bereich. Es gibt Unterstützungsmöglichkeiten im technischen Bereich …….
Dies wären z.B.:
• die FM-Anlage
• das Angebot der Firma VerbaVoice der Schrift- und Gebärdendolmetschertätigkeit
• die Soundfield-Anlage
• Lichtsignalanlage für Türklingel, Wecker, Telefon und Rauchmelder (als einzelne Geräte oder Kombigeräte erhältlich)
• Feuermelder gibt es auch als Kombigeräte mit der Lichtsignalanlage
• Induktionsanlage
• Infrarot-Strahlung (seltene Alternativ-Technik zur Induktion)
……………. aber auch im sozialen Bereich:
• Sich einen konstanten Freund/Partner suchen, welcher in schwierigen Situationen unterstützend tätig ist.
• Die feste Bezugsperson muss aber auch die Zeit bekommen, den betroffenen Partner und die dazugehörigen schwierigen Situationen kennen lernen zu dürfen.
• Das betroffene Kind / den betroffenen Teenager nicht vor einer fremden Gruppe bloß stellen – stigmatisieren.
• Die Kinder / Teenager darin bestärken, dass sie selbst äußern welche Dinge notwendig sind, um besser verstehen zu können.
(mit dem Rücken zum Licht, damit das Licht beim Absehen nicht blendet, in einen ruhigeren Raum zum Gespräch gehen, falls der aktuelle Raum zu hallig bzw. es zu laut ist, etc., etc.)
Es war ein sehr informativer und interessanter Vormittag. Wir hatten wieder dazugelernt bzw. wurde manches aufgefrischt und wieder in Erinnerung gebracht.
Nach dem Mittagessen und der kurzen Pause starteten wir mit Frau Andrea Goldschmitz, Hörgeschädigtenpädagogin, von der Praxis Hanik.
Folgende Themen hatte sie für uns vorbereitet bzw. vorgesehen:
1. Begrüßung & Vorstellung
2. Berühmte Gehörlose
3. Was ist Hörtaktik?
4. Präsentation der Teenie-Ergebnisse
5. Was wir Eltern tun …. oder auch manchmal lassen sollten?
6. Laute absehen – Verwechslungen der Laute
7. Absehbattle mit den Teenies
2. Berühmte Gehörlose sind bzw. waren:
* Heather Whitestone (Miss Amerika ´85) * Emmanuelle Laborit
* Marlee Matlin * Ludwig van Beethoven
* Dr. Günther Beckstein * Helen Keller (über sie gibt es einen Film)
* Hally Berry * Sting
* Silvester Stallon * Phill Collins
* Mario Adorf
3. Was ist Hörtaktik?
Die Antwort könnte sein:
– Dinge die ich tun kann, um besser verstehen zu können. O D E R
– Ich mach´ mir die Welt, wie sie mir gefällt. (Pippi Langstrumpf) O D E R
– Hörtaktik ist der Oberbegriff für Strategien von Hörbehinderungen, mit denen sich auch schwierige kommunikative Situationen in akustisch ungünstigen Verhältnissen besser meistern lassen können.
Voraussetzungen:
• Über meine Identität muss ich Bescheid wissen. Es gehört dazu, die eigene Hörkurve lesen zu können.
• Wie kann ich es mir leichter machen?
• Absehen ist mitunter der wichtigste Teil der Hörtaktik.
• Räumliche Situation – passender Sitzplatz im Klassenzimmer, Akustikdecke, Gardinen, Teppichboden, mit Licht im Rücken sitzen
• Verhalten ändern
• Sprachökonomie = Sprechfaul, viel sagen mit wenig Aufwand
• Blickkontakt
• Verständnis mit den Hörenden – was kann ich als Hörgeschädigter tun?
Mögliche Veränderungen:
• Räumliche Veränderungen
• Technische Veränderungen
• Verhalten der anderen beeinflussen
• Persönliche Komponente – Was kann ich tun?
6. Laute absehen – Verwechslungen der Laute
Es gibt „stimmhafte- und stimmlose Laute“
b / p / m f / w e / i o / u
g / k d / t / s / n / l
Hierzu hatten wir dann in Kleingruppen Abseh-Übungen gemacht. Hierbei hatten wir festgestellt, dass das stimmlose Absehen unheimlich schwierig ist und gleichzeitig auch Unsicherheit vermittelte. Ob man wohl das Richtige verstanden hatte?
Gestärkt durch unsere Übungen in den Kleingruppen begaben wir uns in das Absehbattle mit den Teenies.
Trotz extremster Anstrengungen hatten wir überhaupt keine Chance den Teenies gegenüber. Hierbei waren wir deutlich im Nachteil. Denn es zeigte sich: Übung macht den Meister!
Nach so einem arbeitsintensiven Tag freuten wir uns auf das Abendessen. Den Tag ließen wir bei einem gemeinsamen entspannenden Spaziergang um den Burg Berg so langsam ausklingen. Die Abendsonne schenkte uns wundervolle Eindrücke und Bilder.
Die Teenies waren von den gelernten verschiedensten Techniken und Taktiken vom Nachmittag so begeistert und nahmen Damians Angebot: am Abend weitere Tipps, Informationen zu erhalten aber auch Geschichten zu hören, sehr dankend an. Sie hingen wörtlich an seinen Lippen und konnten sehr lange nicht davon ablassen. Die Kinder wurden aufgefordert, auch ihre eigenen Erlebnisse humorvoll darzustellen.
Man hätte eigentlich denken müssen, die Kids wären platt und erschöpft, doch offensichtlich nicht!
Für Sonntagvormittag war der gemeinsame Familien-Gebärden-Kurs geplant. Nachdem sehr kurzfristig die Referentin ausfiel, freuten wir uns umso mehr, als Nicole Straube von den Offenen-Hilfen der Regens-Wagner-Zell am Gehörlosenzentrum Nürnberg einsprang.
Vroni leitete die Gruppe der Teenager, wo auch später Verena und Diana mit den Geschwisterkindern dazu stießen. Frau Nicole Straube nahm sich der Eltern an. Jede Gruppe für sich erlernte das Fingeralphabet, wie auch die Bereiche: Familie und Farben. Zusätzlich überlegte sich jeder für sich seine persönliche Gebärde.
Im großen Rittersaal hatten wir alle gemeinsam zum Abschluss mächtig Spaß bei: Dingsda – „Ich sehe was, was Du nicht siehst und das ist ….“.
Jemand überlegte sich eine Farbe eines bestimmten Gegenstandes im Raum und beschrieb es mit Gebärden. Wir hätten fast das Mittagessen verpasst, mit so viel Eifer waren wir dabei.
Nach dem Mittagessen war dann Aufbruchsstimmung aufgekommen und große Verabschiedungsrunde angesagt. Wobei bei allen, vor allem bei den Teenies klar ist, das war nicht das letzte Mal, dass wir uns gesehen haben.
Manche freuen sich bereits darauf, sich im Jahr 2016 beim Gleichgewichtstraining im Schnee wieder zu sehen. Vielleicht bist dann auch Du dabei?
Andrea Grätz
Schatzmeisterin im BayCIV
Selbsthilfegruppe fOHRum